Verfahren wegen eines Sexualdeliktes sind besonders und in der Regel auch nicht mit Strafverfahren wegen anderer Delikte zu vergleichen.
Sexualdelikten ist es in der Regel immantent, dass es nur zwei Personen gibt, die über die vorgeworfene Tat etwas berichten können – Mutmaßlicher Täter und mutmaßliches Opfer.
Doch wem soll das Gericht in dieser Aussage-gegen-Aussage-Konstellation dann glauben?
An sich ist es Aufgabe des Gerichts die Zeugenaussagen entsprechend zu würdigen. Allerdings gibt es Fälle, in denen das Gericht sich nicht auf seine eigene Sachkunde verlassen kann und ein Sachverständigengutachten, ein sog. Glaubhaftigkeitsgutachten, eingeholt werden muss. Dies ist eben insbesondere der Fall, wenn es sich um eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation.
Entscheidend ist die Glaubhaftigkeit, nicht die Glaubwürigkeit
Entgegen dem weit verbreiteten Glauben kommt es nicht auf die Glaubwürdigkeit einer Person an.
Dies wird anhand eines einfachen Beispiels deutlich:
Auch eine hochangesehene Person neigt von Zeit zu Zeit dazu seinen gegenüber anzulügen. Dies passiert meist nicht durch eine „bösartige“ Lüge, sondern kann auch durch gutgemeinte, prosoziale Täuschung passieren. So zum Beispiel durch wahrheitswidriges Behaupten, das Outfit des gegenüber sehe gut aus, obwohl man anderer Meinung ist, es aber nicht sagt, um den anderen nicht zu verletzten. Letztlich ist das aber nichts anderes als eine gutgemeinte Lüge.
Was dieses Beispiel zeigt: Man muss sich von dem Gedanken befreien, dass gute Menschen nur die Wahrheit erzählen und angeblich böse Menschen zur Lüge neigen.
Vielmehr kommt es auf die Beurteilung der Aussage an sich, also deren Glaubhaftigkeit, an. Hier unterscheidet man nicht, ob die Aussage wahr oder unwahr ist, da dies zu subjektiv ist. Vielmehr unterscheidet man, ob eine Aussage erlebnisfundiert oder eben nicht erlebnisfundiert
ist.
Mit anderen Worten: Hat der Aussagende dieses Geschehene, dass er eben beschreibt, erlebt, oder entspringt es rein seiner Fantasie.
Die Prüfung der Glaubhaftigkeit einer Aussage
Zur Prüfung der Glaubhaftigkeit greift die Aussagepsychologie auf die sog. aussagepsychologische Konstrukt-Trias
zurück. Demnach sind zunächst drei psychologische Konstrukte zu betrachten:
- Aussagetüchtigkeit
- Aussagezuverlässigkeit
- Aussagequalität
Die Aussagetüchtigkeit
beschäftigt sich mit der Frage, ob die Aussageperson überhaupt die erforderlichen kognitiven und intellektuellen Fähigkeiten besitzt, die zu einer gerichtsverwertbaren Aussage notwendig sind.
Die Aussagezuverlässigkeit
beschäftigt sich damit, ob die internen oder externen Rahmenbedingungen der Aussageentstehung und Aussageentwicklung frei von Einflüssen sind, die Zweifel an der Zuverlässigkeit begründen würden.
Die Aussagequalität
befasst sich mit der Inhaltsanalyse der Aussage selbst, also schwerpunktmäßig mit dem Vorliegen sog. Realkennzeichen, einer nachweisbaren Konstanz und Struktur der Aussage.
Die Beurteilung, ob eine Aussage erlebnisfundiert oder erfunden ist, wird vor allem auf die Qualität der Aussage
zurückzuführen sein (vgl. hierzu auch BGHSt 45, 164).
Nach der sogenannten Undeutsch-Hypothese
unterscheidet sich die erlebnisbasierte Schilderung von frei erfunden Berichten in bestimmten Merkmalen (u.a. in Renate Volbert/Max Steller, die Begutachtung der Glaubhaftigkeit, in: Klaus Foerster, Psychiatrische Begutachtung – ein praktisches Handbuch für Ärzte und Juristen).
Die Prüfung der Qualität einer Aussage, also die Unterscheidung zwischen erlebnisbasierten und anders generierten Aussagen, erfordert neben der Überprüfung der Realkennzeichen, eines Strukturvergleichs
und der sogenannten Konstanzanalyse.
Der Prüfprozess kann und darf aber nie einem schematischen Ablauf folgen. Er ist immer der individuellen Fallkonstellation im Einzelfall anzupassen.
Das Handwerkszeug muss sitzen...
Ein Strafverteidiger, der mit Sexualdelikten vertraut
ist und sein Handwerkszeug beherrscht, weiß, worauf er achten muss.
Nur dadurch ist es ihm möglich, ein in Auftrag gegebenes Gutachten auf Unsauberkeiten oder mögliche Fehler zu überprüfen
und der Verfahren für seinen Mandanten in die richtigen Bahnen zu lenken.
Dem Beschuldigten einer Sexualstraftaten ist daher dringend anzuraten, sich rechtzeitig einen Verteidiger zu suchen, der mit den Besonderheiten des Sexualstrafrechts und des Sexualstrafverfahrens vertraut ist und dem auch die Aussagepsychologie nicht fremd ist.
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